In Kürze:
In diesem Artikel wirft Nomentia's Senior Solution Manager Daniel Neubauer einen kritischen Blick auf die aktuelle Realtime-Treasury-Debatte und diskutiert, was es braucht, um die Echtzeit-Utopie zu verwirklichen.
Zum Autor
Daniel Neubauer ist Senior Solution Manager bei Nomentia und bringt 15 Jahre Erfahrung in den Bereichen Finanz- und Treasury Management mit in seine Rolle. Bevor er 2021 zu Nomentia kam, war er über ein Jahrzehnt als Solution Architect bei Serrala tätig. In seiner aktuellen Rolle als Senior Solution Manager arbeitet er eng mit Kunden aus dem deutschsprachigen Raum zusammen und bietet ihnen zuverlässige Expertise und maßgeschneiderte Lösungen.

Realtime-Treasury ist 2025 neben KI eines der großen Schlagwörter. Wo über die Zukunft von Treasury und Cash Management diskutiert wird, fällt es gefühlt in jedem zweiten Satz. Die Idee, man könne Zahlungsströme und Kontostände in Echtzeit verfolgen und so seine Liquidität 24/7 steuern, klingt verlockend.
Den Gedanken gibt es schon lange. An der Umsetzung haperts noch. Schon vor Jahren versprachen APIs all das und noch mehr. Dennoch sind sie immer noch eher die Ausnahme. Banken sind zögerlich bei der Standardisierung der Schnittstellen und Treasury-Teams fehlen die Use Cases, den zusätzlichen Aufwand und die hohen Gebühren für benutzerdefinierte APIs auf sich zu nehmen. Was bringen Sofortzahlungen, wenn wir sie nicht in Echtzeit verbuchen? Was nützen APIs, wenn sie nur veraltete Tagesend-Kontoauszüge liefern, die im Treasury – sowie parallel in der Buchhaltung – weiterhin stapelweise verarbeitet werden? Was bringt Realtime-Treasury ohne Echtzeit-Buchhaltung?
Um diesen Gedanken weiterzuspinnen, lohnt sich ein Blick in den Norden: Anders als in unseren Kreisen, wo Treasury- und Buchhaltungsprozesse oft strikt voneinander getrennt ablaufen, arbeiten diese Abteilungen in nordischen Unternehmen meist eng miteinander zusammen. Statt selbst Kontoauszüge zu analysieren, holt sich das Treasury für die Tagesplanung mehrmals am Vormittag die aktuellen Ist-Daten aus der Buchhaltung und spart dabei selbst vieles an Aufwand für die Kontendisposition.
Im traditionellen Setup ist das aber nicht ganz so einfach. Denn in vielen Unternehmen arbeiten Buchhaltung und Treasury noch so, wie sie das seit 10, wenn nicht 20, Jahren schon machen: parallel und praktisch komplett unabhängig voneinander. Dabei betreibt das Treasury oft eine Art Schattenbuchhaltung: zwar mit einem anderen Ziel, jedoch mit den gleichen Daten wie gleichzeitig die Buchhaltung!
Das Problem ist aber nicht nur die fehlende Zusammenarbeit zwischen den beiden Abteilungen. Oft liegt es daran, dass die Buchhaltung schlichtweg zu langsam ist. Nicht etwa, weil sie langsam arbeiten würden – sondern eben einfach nur nach ihrem eigenen Rhythmus: Bis die Buchhaltung die Transaktionen vom Vortag verbucht hat, sollte im Treasury schon längste eine Planung stehen. Wenn nun aber Buchhaltung und Treasury an einem Strang ziehen und ihre Prozesse miteinander integrieren, könnte sich das Treasury diese Doppelarbeit sparen.
Und genau darin liegt der Knackpunkt in der Realtime-Debatte. Wenn wir schon von Sofortzahlungen und Echtzeit-Lösungen sprechen, denken wir das Ganze zu Ende: Erst wenn der gesamte Prozess von der Kontoauszugsverarbeitung in der Buchhaltung bis hin zur Ermittlung der Ist-Daten im Treasury in Echtzeit abläuft, entsteht ein echter Nutzen. Das heißt: Kontoauszüge werden nicht mehr stapelwiese gesammelt und gebucht, sondern Transaktionen fließen konstant nach ihrer Entstehung direkt in Buchhaltungssystem und TMS ein. Für das Treasury bedeutet das automatisch aktuelle Ist-Daten, für die Buchhaltung weniger Stress zum Monatsende, weil offene Posten laufend abgestimmt und somit Unstimmigkeiten sofort erkannt werden können.
Um an diesem Punkt anzukommen, reicht aber nur neue Technologie nicht aus. Es braucht auch integrierte Abläufe und die Bereitschaft, die veralteten Prozesse neu zu denken. Eine Umstrukturierung, zu der viele Unternehmen, wie es scheint, noch nicht bereit sind.
Das Original dieses Artikels erschien in der Ausgabe 03|2025 der DerTreasurer Zeitschrift.
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