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15.5.2025 | Zuletzt aktualisert am 10.11.2025

4 min

Die Best Practices der Sanktionsprüfung

Sie haben die Rechnung geprüft. Die Zahlungsdaten bestätigt. Sie drücken Enter. Und dann – nichts.

Ihre Zahlung ist eingefroren. Die Bank führt sie nicht aus. Während Sie fieberhaft nach dem Grund suchen, wird klar: Das Unternehmen, das Sie bezahlt haben, steht indirekt auf einer Sanktionsliste. Und jetzt geht es nicht nur um eine Verzögerung – Sie könnten haftbar sein.

Das ist kein Ausnahmefall. Es ist ein tägliches Risiko für Treasury-, Finanz- und Compliance-Teams weltweit. Sanktionsprüfung ist längst keine stille Backoffice-Routine mehr, sondern eine Frontlinie der Unternehmenssicherheit. Ein übersehener Name kann eingefrorene Gelder, Bußgelder oder Schlimmeres zur Folge haben.

Der Hintergrund: Ein globales Sanktionsumfeld, geprägt vom Krieg Russlands gegen die Ukraine, von wachsenden Spannungen zwischen den USA und China, von Cyberangriffen und von einem Geflecht ständig neuer Restriktionen. Sanktionen sind zu mächtigen politischen Werkzeugen geworden – und verändern sich rasant.

Und doch arbeiten viele Unternehmen noch immer mit Systemen und Prozessen aus einer einfacheren Zeit.

Wir haben mit Aleksi Pursiainen, einem führenden Experten für Sanktionspolitik und Compliance, gesprochen, um die Dinge klarzustellen:
Wie sieht echte Sanktionsprüfung heute aus? Was ist nur Sicherheits-Show? Und was sollten Unternehmen konkret tun, um Schritt zu halten?

 

Experteneinschätzung: Aleksi Pursiainen

Aleksi Pursiainen (Solid Plan Consulting) ist ein erfahrener Compliance-Spezialist, der Unternehmen seit Jahren durch die komplexe Welt der Sanktionsvorschriften begleitet. Mit tiefem Verständnis für die sich ständig wandelnde Rechtslage hilft er Organisationen, Risiken zu steuern, Compliance sicherzustellen und Strategien umzusetzen, um Strafen und operative Störungen in einem zunehmend regulierten Umfeld zu vermeiden.

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Die zunehmend komplexe Sanktionslandschaft

Stellen Sie sich vor, Sie genehmigen eine Standardzahlung an einen bekannten Lieferanten – dieselbe Firma, dieselbe Kontonummer wie immer. Nur eines hat sich geändert: Diese „gleiche Firma“ gehört nun mehrheitlich einem russischen Oligarchen, dessen Name Sie nie zuvor gehört haben – über zwei Briefkastenfirmen und einen Trust in Zypern. Sie merken es nicht. Ihre Bank schon. Jetzt ist die Zahlung blockiert – und Sie stehen unter Druck.

Das ist die Realität der Sanktions-Compliance im Jahr 2025. Vor zehn Jahren war das einfacher. Selbst vor fünf Jahren noch. Heute reicht es nicht mehr, einfach eine Liste zu prüfen und den Haken zu setzen. Sie verfolgen ein bewegliches Ziel – schneller, komplexer und politischer als je zuvor.

Sanktionen beschränken sich längst nicht mehr auf einzelne Staaten. Betroffen sind heute globale Akteure: Cyberkriminelle, Krypto-Milliardäre, chinesische Tech-Giganten, russische Energiekonzerne – und alle, die mit ihnen verbunden sind. Und sie werden nicht nur einmal sanktioniert, sondern mehrfach – von unterschiedlichen Behörden, aus verschiedenen Gründen, teilweise widersprüchlich.

Aleksi erklärt es so:

„Es gibt so viele Länder, die Restriktionen unterliegen – und jedes davon unter anderen als die übrigen.“

Selbst wenn Sie einen Namensabgleich haben, reicht das nicht. Sie müssen wissen, wer was besitzt, wer wen kontrolliert – und ob sich diese Strukturen über Nacht verändert haben.

„Es geht nicht nur um den Namen auf der Liste und den Namen in Ihrem System. Sie müssen ein umfassendes Verständnis dafür haben, mit wem Sie es tatsächlich zu tun haben.“

Klingt kompliziert? Ist es auch. Und genau deshalb funktioniert der alte Ansatz einfach nicht mehr.

Warum die alten Methoden nicht mehr ausreichen 

Viele Unternehmen behandeln Sanktionsprüfung wie eine veraltete Excel-Tabelle: Einmal prüfen, Haken setzen, weitergehen. Doch dieser „Name prüfen, fertig“-Ansatz ignoriert, wie dynamisch sich Risiken heute verändern.

Zahlreiche Firmen verlassen sich auf veraltete Tools. Sie scannen Listen einmal jährlich und fühlen sich sicher. Doch was gestern unbedenklich war, kann heute schon ein Risiko sein. Das eigentliche Problem ist das blinde Vertrauen in statische Systeme.

Sanktionslisten verändern sich nicht nur – sie werden explosiv komplexer. Ein einfacher Namensabgleich reicht nicht mehr aus. Man muss Eigentumsstrukturen, Briefkastenfirmen und Kontrollwechsel verfolgen – etwa wenn ein Oligarch Anteile überträgt oder neue Firmen als Zwischenglieder auftauchen.

„Ihr Screening-System piept – und Sie müssen verstehen, ob das bedeutet, dass Sie ins Gefängnis gehen oder nur keine langfristigen Anleihen kaufen dürfen.“

Die neue EU-Sanktionsrichtlinie verschärft die Lage zusätzlich: Verstöße sind nun strafrechtlich relevant. Das bedeutet: Bußgelder bis zu 40 Millionen Euro oder 5 % des weltweiten Umsatzes, aber auch potenzielle Haftstrafen für Führungskräfte und Compliance-Verantwortliche. Mit Zehntausenden von Partnern und Lieferanten ist es manuell unmöglich, Schritt zu halten. Eigentümerwechsel, Kontrollverschiebungen oder versteckte Verbindungen bleiben unentdeckt.

„Eine hundertprozentig sichere Struktur ist selten – aber jedes Unternehmen sollte ein System haben, das zu seinem Risiko- und Geschäftsprofil passt.“

Die entscheidenden Fragen – über Compliance hinaus 

Die unbequeme Wahrheit: Die Frage „Sind wir compliant?“ ist nur der Anfang.
Die eigentliche lautet: Wissen wir wirklich, mit wem wir Geschäfte machen – und welchen Risiken wir uns dadurch aussetzen?

Denn oft ist es nicht der Name auf der Liste, der Probleme verursacht – sondern das Unternehmen, das die sanktionierte Person im Hintergrund kontrolliert. Oder der Fonds, den ein Familienmitglied verwaltet. Oder eine unauffällige Drittzahlung, die unbemerkt durchrutscht.

Die meisten Programme enden beim Namensabgleich. Die Klugen gehen weiter und fragen:

  • Wer besitzt oder kontrolliert dieses Unternehmen wirklich?

  • Hat sich das kürzlich verändert?

  • Sind wir über Dritte indirekt exponiert?

Ein Beispiel: Sie erstatten einem Kunden eine Zahlung an dessen Logistikpartner. Der Partner steht nicht in Ihrem System und wurde nie geprüft – die Zahlung geht trotzdem raus. Damit könnten Sie bereits gegen EU-Sanktionsrecht verstoßen.

„Vielleicht dürfen Sie der Person noch auf der Straße Hallo sagen – aber mehr auch nicht.“

So strikt sind die EU-Vorschriften zu Vermögenseinfrierungen. Selbst eine scheinbar harmlose Transaktion kann Konten blockieren – oder Schlimmeres auslösen.

Eine Roadmap für ein sanktionssicheres Treasury 

Wenn Ihre Sanktionsprüfungen nur vierteljährlich oder nachträglich erfolgen, sind Sie bereits zu spät dran. Treasury-Teams brauchen heute Systeme, die in Echtzeit denken – keine alternden Excel-Sheets.

Das bedeutet: Tägliches, automatisiertes Screening aller Geschäftspartner – Kunden, Lieferanten, sogar einmalige Rückzahlungen an Dritte. Wer im Zahlungssystem steht, sollte geprüft werden. Jeden einzelnen Tag.

„Fast jedes Unternehmen hat Parteien, die normalerweise nie geprüft werden … bis man Enter drückt – und das Chaos beginnt.“

Sie brauchen zudem mehrstufige Kontrollen: nicht nur beim Onboarding, sondern vor jeder Zahlung, vor jedem Versand, vor jeder Lizenzvergabe. Und wenn das System eine Veränderung erkennt – etwa eine neue Eigentümerstruktur – muss es sofort alarmieren, bevor Geld oder Ware das Haus verlässt.

„Idealerweise hätte man ein automatisiertes System, das sofort Alarm schlägt – und den Versand stoppt.“

Automatisierung ist der Schlüssel – aber kein Ersatz für menschliche Bewertung. Systeme müssen zum Risikoprofil, Geschäftsmodell und technischen Reifegrad des Unternehmens passen – nicht zu einem Idealbild auf dem Papier. Ein sanktionssicheres Treasury ist kein starres Regelwerk, sondern ein lebendes System, das beobachtet, warnt und eingreift, bevor Probleme entstehen.

Sanktions-Compliance als strategische Infrastruktur

Sanktions-Compliance ist weit mehr als nur ein Pflichtprogramm. Sie ist Teil der strategischen Identität eines Unternehmens. Ja, es geht um Regeln und Risiken. Aber ebenso darum, wofür ein Unternehmen steht. Am Ende zählt: Wissen Sie, mit wem Sie Geschäfte machen?

Treasury- und Finanzteams spielen heute eine aktive Rolle in der globalen Sicherheit – ob sie wollen oder nicht. Die richtigen Systeme schützen nicht nur vor Strafen, sondern stellen auch sicher, dass Ihr Unternehmen im Einklang mit den Werten handelt, die Sanktionen verteidigen sollen: Souveränität, Verantwortung und Rechtsstaatlichkeit.

Oder wie Aleksi es ausdrückt:

„Warum investieren wir so viel Zeit in Sanktions-Compliance? Es geht nicht nur darum, Gefängnis zu vermeiden – sondern darum, das Richtige zu tun.“

Wenn Ihre Sanktionsprüfung noch wie vor fünf Jahren funktioniert, ist jetzt der Moment, sie neu zu denken – nicht nur für Compliance, sondern für Widerstandsfähigkeit.

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